Brauchtum, Volksbräuche und Überlieferungen in der Schweiz

 

Volksbräuche und Überlieferungen zu Geburt und Kindheit:

Wenn Kinder zuweilen hohe Brüste haben, so bilden sich die Weiber ein, die Kinder werden vom Schrätteli oder Doggeli gedrückt. Um das zu vertreiben, legen sie den Kindern ein Messer unter das Kopfkissen.

Wenn du deine Kinder vorm Stehlen bewahren willst, so musst du ihnen das erstemal die Fingernägel nicht abschneiden, sondern abbeissen.

Um die Kinder an Schamhaftigkeit zu gewöhnen, muss man den Säugling unmittelbar nach seiner Geburt unter eine Bank legen.

Soll ein Kind recht früh und gut reden lernen, so tränke man es fleissig mit seinem eigenen Badewasser, das löset die Zunge.

Als da en einigen Orten (des Kantons Zürich) bei Wegnehmung des Kindes von der Mutter (um es zur Taufe zu tragen) eine dreimalige Frage geschieht; da man fast durchgehends ein Kind, das in der zwölften Stunde geboren wird, für unglücklich hält; da man an gewissen Orten bei Ausgießung des Wassers, darin das Kinde gebadet worden, zu singen pflegt in der Einbildung, das selbe werde hernach ein geschickter Sänger werden.

Wenn eine Wöchnerin vor der sechsten Woche unter der Dachtraufe weggeht, so bekommt sie geschwollene Füsse.

Die Suppe für eine Kindbetterin muss notwendig von einem ganz schwarzen Huhn sein, wenn sie ihre Wirkung tun soll.


Volksbräuche und Überlieferungen zur Hochzeit:

In der nördlichen Schweiz herrscht folgender Aberglaube: Wer an einem Freitag heiratet, kann sich auf eine kinderlose Ehe gefaßt machen und er wird häufig an diesem Tage von Kopfweh geplagt werden.

Brautleute dürfen, wenn sie zur Kirche gehen, um sich trauen zu lassen, sich nicht umdrehen, sonst bekommen ihre Kinder dicke und krumme Hälse.

Wenn das Weib im Haushalt die Herrschaft führen will, so muss es während der Trauung dem Mann auf den Fuß treten.

Wenn am Morgen eine Elster auf dem Hause erscheint und viel schreit, so werden gewiss am selben Tage die Eheleute noch in Streit geraten.

Wenn zwei Brautleute, während der Pfarrer sie einsegnet, so weit voneinander stehen, dass man zwischen beiden durchgehen kann, so kommt der Teufel dazwischen und es wird eine unglückliche Ehe sein.


Volksbräuche und Überlieferungen zu Krankheiten und Krankheitszauber:

In der nördlichen Schweiz findet sich folgender Glaube: Wer ein Messer mit einem weißen Heft bei sich trägt, wird niemals an Kolik leiden.

Das sicherste und schnellste Mittel, sich des Fiebers zu entledigen, besteht darin, dass man ein Stück Geld, auf dem sich ein Kreuz befindet, in der Umgebung einer Kirche oder auf einem Kreuzweg auf den Boden legt. Man muss aber ein gewisses Gebet hersagen. Wer dann das Geld aufhebt, nimmt auch das Fieber mit sich.

Hast du einen Kropf, so stelle dich mit dem Gesicht gegen den Mond, nimm einen Stein, der vor dir liegt, bestreiche damit den Kropf dreimal und wirf den Stein hinter dich. Tue dies bei drei zunehmenden Monden nacheinander, dann ist der Kropf verschwunden.

Der Biß eines Hundes wird geheilt, wenn man dessen Haare auf die Wunde legt.

Wenn du Warzen hast, so nimm einen Faden, umwickle damit die Warze und wirf ihn unter die Dachrinne. Wenn der Farben verfault, so gehen auch die Warzen weg.

Die Märzflecken (Sommersprossen) vertreibt amn, wenn man auf einen Gottesacker (Friedhof) geht und sich mit dem Wasser wäscht, das sich auf den Leichensteinen (Grabsteinen) befindet.

Garn, von Mädchen gesponnen, welche blonde oder schwarze Haare haben und noch nicht acht Jahre alst sind, besitzt wunderbare Eigenschaften: Die davon gewobene Leinwand schützt gegen Rheumatismus und Gicht, auch gegen Zaubereien. Wer Hosen davon trägt, dem schaden weder Schuß noch Hieb. Wenn man ein Gewehr damit ladet, so wird man sein Ziel nicht verfehlen.

Wenn die Mutter den ersten Zahn verschluckt, der ihrem Kinde ausfällt, so bekommt es sehr schöne Zähne.

Wenn man ißt, während zu Grabe geläutet wird, so bekommt man Zahnschmerzen.

Ein gutes Mittel gegen Rückenschmerzen ist, wenn man sich im Frühjahr beim ersten Donner auf die Erde niederwirft und sich einigemale auf den Boden herumwälzt.

Ein gutes Mittel gegen Schwindel ist, wenn man eine Zwiebel bei sich trägt.


Volksbräuche und Überlieferungen zum Tod:

Wenn in einem Hause ein Mensch stirbt, so muss man sogleich ein Fenster öffnen, damit die Seele hinausfliegen kann. Wird die Leiche fortgetragen, so muss man ihr entweder Wasser nachgießen und die Türen und Fenster schliessen, bis sie begraben ist, oder auf alle geschlossenen Türen drei Kreuze machen, sonst würde es im Hause spuken.

Dem Toten muss man den Kamm, mit dem er sich bei Lebzeiten kämmte, ins Grab mitgeben, sonst werden einem anderen, wenn er sich damit kämmen würde, die Haare ausgehen.

In früheren Zeiten kam es in Graubünden öfters vor, dass Verstorbene sich während des Begräbnisses ihrer Leichen zeigten und die erschrockenen Leidtragenden anredeten. Im 17. Jhdt. starb in Mayenfeld ein Ritter, namens Molina. Als die Träger seines Sarges angetreten hatten, hörte man ein Fenster der Wohnstube sich öffnen. Ritter Molina, wie er geleibt und gelebt hatte, sah aus dem Fenster heraus und fragte die Träger ganz laut und freundlich, ob sie es schwer haben.

Allgemein in Graubünden herrschte früher der Glaube und herrscht teilweise noch heute, dass man den Todesfall des Hausvaters oder der Hausmutter den Bienen, die zum Hause gehören, anzeigen müsse, weil sie sonst ausfliegen und eine andere Heimat suchen. Deshalb wurde von einem der nächsten Anverwandten die Trauerbotschaft den Schwärmen in aller Form gebracht und vorgetragen.

Im Kanton Glarus ist es Sitte, dass Bett Sterbender, bei denen der Todeskampf lange dauert, unter den Hausfirst zu stellen und nach dem Verscheiden ein Fenster zu öffnen.

Weiße Gämsen, die dem Jäger in den Alpen begegnen, sind für ihn Todesboten. Kommt ein Jäger im Gebirge ums Leben, so heißt es gewöhnlich, er habe auf seiner vorletzten Jagd eine weiße Gemse gesehen.

Das Knarren von Wänden und Böden ist von schlimmer Vorbedeutung, ferners das Blühen der Hauswurz im Garten oder auf dem Dache, das Schlagen der Glocke während des Betglockenläutens usw.

Quelle: Alpensagen von Theodor Vernäleken